In Deutschland wie in Österreich soll nun wieder Kohle verfeuert werden, um bei der Stromerzeugung möglichst auf Gas verzichten zu können.

Foto: imago

Mittlerweile gehört es zum Allgemeinwissen, dass Kohle schlecht für die Umwelt ist, sehr schlecht sogar. Beim Verbrennen von Steinkohle entweichen etwa 40 Prozent mehr an klimaschädlichem CO2 als bei der Verfeuerung von Erdgas, bei Braunkohle sind die Umweltauswirkungen noch gravierender. Deshalb wurde das letzte Stück Kohle, das nach der Heizsaison 2020 im Fernheizwerk Mellach bei Graz noch vorrätig war, von Energieministerin Leonore Gewessler von den Grünen symbolisch in die Museumsauslage gestellt. Sie wollte damit deutlich machen, dass mit dem Verbrennen kohlenstoffhaltigen Gesteins in Österreich endgültig Schluss ist. Mellach ging als das letztes stinkiges Kraftwerk, das dem Verbund gehört, vom Netz.

Zwei Jahre später soll es nun reaktiviert und zum Befeuern mit Kohle ertüchtigt werden. Klingt ziemlich abartig. Doch die Welt ist seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine nicht mehr dieselbe wie vorher. Nicht mehr Kohle ist das Ungeheuer, das den Planeten im wahrsten Sinn des Wortes zum Schwitzen bringt, sondern Wladimir Putin, der Gas auch als Waffe einsetzt. Nun kann es nicht rasch genug gehen mit der Befreiung aus der Abhängigkeit von russischem Gas, die freilich auch selbst gemacht ist.

APA/bes | DER STANDARD

Es sind gerade die Grünen, die nun eine gehörige Portion Pragmatismus an den Tag legen, in Deutschland genauso wie in Österreich. Obwohl für den kleinen Koalitionspartner in Berlin wie in Wien fossile Brennstoffe unverändert nach Tod riechen und besser heute als morgen ersetzt gehören, zeigen sie nun, dass verantwortungsvoll regieren mitunter auch heißt, einen Schritt zurück zu machen. Weil mittlerweile denkbar ist, dass Kriegstreiber Putin als Retourkutsche für westliche Sanktionen früher oder später einen kompletten Gaslieferstopp gegen Europa verfügt, muss jetzt jede greifbare Alternative mobilisiert werden. Dazu gehört, so bitter es ist, eben auch Kohle. (Günther Strobl, 20.6.2022)